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13.1 Geschäftsbereich von Volksanwalt Dr. Peter Kostelka

13.1.1 Arbeitsmarktverwaltung

13.1.1.1 Allgemeines

Mehrere arbeitslose Menschen haben bei der VA vorgebracht, dass die ihnen vom AMS zugewiesenen "Wiedereingliederungsmaßnahmen" im Endeffekt keine Verbesserung ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt bewirkten, sondern im Prinzip eine reine "Beschäftigungstherapie" darstellten.

Etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer kritisierten, dass sie im Zuge der Maßnahmen (Coachings) teilweise dazu angehalten würden, bei mehr oder weniger würdelosen bzw. kindischen "Psycho-Spielchen" mitzumachen, und ihnen – unter bewusster Ignorierung der Realitäten auf dem Arbeitsmarkt – suggeriert werde, dass die Ursachen ihrer Arbeitslosigkeit primär nur bei ihnen selbst zu suchen seien.

Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich die Vermutung geäußert, dass die Zuweisung zu Maßnahmen letztlich nur aus Gründen der Schönung der Arbeitslosenstatistik, in welcher Schulungsteilnehmer nicht als arbeitslos ausgewiesen werden, erfolge.

Im Einzelnen wurden derartige Beschwerden gegen Wiedereingliederungsmaßnahmen vor allem von folgenden drei Personengruppen vorgebracht:

Zum Einen wandten sich arbeitslose Menschen über 50 an die VA, die teilweise schon einen Anspruch auf Übergangsgeld oder (vorzeitige) Alterspension in Aussicht hatten. Diese Gruppe fühlte sich, wie oben bereits kurz angerissen, vor allem durch verschiedene psychische Analyse- bzw. Trainingsmethoden persönlich herabgesetzt, provoziert und letztlich auch frustriert. Als Beispiel wäre hier Frau G. (56) zu erwähnen, die von der regionalen Geschäftsstelle des AMS Vöcklabruck dazu verpflichtet wurde, die Maßnahme "Qualifizierung und Vermittlungsunterstützung" zu besuchen. Im Zuge dieser Maßnahme wurde Frau G. zu diversen "Persönlichkeitstests" angehalten. Sie musste etwa auf einem Blatt Papier ein Schweinchen zeichnen, wobei sich aus Größe, dem Aussehen und der Position des Schweinchens auf dem Zeichenblatt ergeben sollte, welche konkreten Persönlichkeitsmerkmale Frau G. habe (Textauszug aus der Testanleitung: "du bist wie das Schweinchen, das du gezeichnet hast!"). Wenngleich im Zuge des volksanwaltschaftlichen Prüfverfahrens jener Test seitens des AMS letztlich nur als "Lockerungsübung" dargestellt wurde, so hatte die VA doch festzustellen, dass hier die Würde der Teilnehmerin verletzt wurde.

Derartige "Tests" mögen sicherlich in privatem Kreis einen gewissen Spaßfaktor haben, für viele Menschen, die durch Arbeitslosigkeit in Existenznot geraten sind, muss eine Zwangsverpflichtung zu derartigen Test jedoch regelmäßig als Zynismus erscheinen.

Weitere "Problemgruppen" sind nach den Erfahrungen der VA Mütter mit (mehrfachen) Betreuungspflichten für minderjährige Kinder sowie hoch qualifizierte, teilweise akademisch gebildete, Arbeitslose, die aus wirtschaftlichen Gründen in ihrer angestammten Branche (z.B. Telekom; Datenverarbeitung und Softwareentwicklung) keine Beschäftigung mehr finden und – theoretisch – auf minder qualifizierte Jobs zurückgreifen müssten.

Aus Sicht der VA ist hinsichtlich der erwähnten Gruppen vielfach festzustellen, dass es regelmäßig nicht an Kenntnissen bzw. Fähigkeiten der betroffenen arbeitslosen Menschen mangelt, sondern vielfach von Dienstgeberseite keinerlei Bereitschaft besteht, Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmer einzustellen, die bereits ein gewisses Lebensalter überschritten oder umfangreiche familiäre Sorgepflichten haben. Aus Sicht der VA ist es in diesem Zusammenhang eher als eine Aufgabe der Politik zu sehen, hier auf Dienstgeberseite eine entsprechende Einstellungsänderung herbeizuführen.

Wenig zweckmäßig erscheint es demgegenüber, wenn das AMS gleichsam künstlich Qualifikationsmängel bei den betroffenen Arbeitslosen "konstruiert" und massenweise die Zuweisung zu Wiedereingliederungsmaßnahmen verfügt.

Durch Wiedereingliederungsmaßnahmen kann weder das Lebensalter der betroffenen Menschen noch etwas am Umstand des Bestehens von familiären Betreuungspflichten geändert werden. Entsprechendes gilt für die Gruppe der hoch qualifizierten Arbeitslosen; auch hier liegt nach den Erfahrungen der VA das Problem vor allem darin, dass Dienstgeber nicht bereit sind, derartige Personen für weniger qualifizierte Tätigkeiten einzustellen. Es besteht offenbar die Befürchtung, dass eine solche Person nicht in die Belegschaft integriert werden kann bzw. gar nicht erst lange im Unternehmen bleibt. Andererseits scheinen hier für Umschulungsmaßnahmen auf entsprechendem Niveau oftmals die Mittel zu fehlen.

Im Prüfverfahren zu VA BD/902-SV/04 wurden der VA konkrete Evaluierungsdaten einer kritisierten Maßnahme ("Qualifizierung und Vermittlungsunterstützung" beim bfi Vöcklabruck) übermittelt. Daraus ist insbesondere ersichtlich, dass die Vorabinformation der arbeitslosen Menschen über konkrete Kursinhalte bzw. die Art der Wiedereingliederungsmaßnahme durch Mitarbeiter des AMS nur suboptimal funktioniert. Die Aufklärung wurde von den betroffenen Kursteilnehmern mit "mittel" bis "eher schlecht" bewertet, wobei sich in diesem Zusammenhang Männer besser informiert fühlten als Frauen. Der Nutzen des Kurses von den Teilnehmern dann zwar durchschnittlich mit "eher gut" bewertet; gleichwohl hatten nur 33,2 % aller Maßnahmen Teilnehmer bei Kursende bereits fixe Einstellungszusagen in der Tasche. Dabei bleibt freilich auch offen, ob und in welchem Ausmaß zwischen ihren Einstellungszusagen einerseits und der absolvierten Maßnahme andererseits ein Kausalzusammenhang besteht. Die Möglichkeiten der Evaluierung stoßen hier sicherlich auf faktische Grenzen.

Aus Sicht der VA sollte jedenfalls dafür Sorge getragen werden, dass Wiedereingliederungsmaßnahmen individueller auf die betroffenen arbeitslosen Menschen zugeschnitten werden und hier insbesondere auch auf spezielle Probleme bestimmter Altersgruppen eingegangen wird. Vom zeitlichen Ablauf der Maßnahmen würde sich die VA dafür aussprechen, eine stärkere Flexibilisierung bei der Gestaltung Platz greifen zu lassen. Insbesondere sollte es möglich sein, dass allfällige geringfügige Beschäftigungsverhältnisse parallel zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme beibehalten werden können, sofern derartige Beschäftigungsverhältnisse als mögliches Sprungbrett in einen Vollzeitjob gesehen werden können. Ob für eine derart individuelle Betreuung bei gegebenem Stand der Dinge die Ressourcen des AMS ausreichen, ist aus Sicht der VA jedoch zu bezweifeln.

Gleichzeitig sollte man aus Sicht der VA sowohl seitens des AMS als auch seitens der Politik den Mut aufbringen, zuzugestehen, dass es einfach Menschen gibt, die zumindest vorübergehend trotz aller redlichen Bemühungen auf Grund der derzeitigen Arbeitsmarkt- bzw. allgemeinen Wirtschaftslage keine Möglichkeit haben, im Beschäftigungsleben wieder Fuß zu fassen.
Eine Zwangsverpflichtung zur Teilnahme an Wiedereingliederungsmaßnahmen ist in solchen Fällen nicht nur gesetzwidrig, sondern letztlich auch nur schwer mit der Wahrung der Menschenwürde und Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen.

13.1.1.3 Wiedereingliederungsmaßnahmen - Sinnvolles Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder Mittel zur "Schönung" der Arbeitslosenstatistik?

Die Teilnahme an Wiedereingliederungsmaßnahmen ("Coachings") ist für arbeitslose Menschen nur dann verpflichtend, wenn das AMS nachweist, dass die konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten des / der jeweiligen Arbeitslosen für eine Reintegration ins Beschäftigungsleben nicht ausreichen und speziell die in Aussicht genommene Maßnahme geeignet ist, jene "Defizite" auszugleichen.

Nach den Wahrnehmungen der VA wird in diesem Zusammenhang vielfach nicht auf die individuelle Problemlage arbeitsloser Menschen eingegangen; die Zuweisung zu Maßnahmen erfolgt oftmals in pauschaler und undifferenzierter Weise. Die Sinnhaftigkeit von Wiedereingliederungsmaßnahmen kann den betroffenen Arbeitslosen weithin nicht vermittelt werden und ist auch objektiv nicht gegeben.

Aus Sicht der VA wäre insbesondere verstärkt auf die Bedürfnisse älterer Arbeitsloser, arbeitsloser Alleinerzieherinnen und hoch qualifizierter, teilweise akademisch gebildeter Arbeitsloser, deren Qualifikation jedoch infolge wirtschaftlichen Strukturwandels entwertet wurde, einzugehen.

Quelle: Volksanwaltschaft
29.12.2005

Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft im Jahr 2006

13.1.1.2 Sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte
– arbeitsmarktpolitische Instrumente mit Fallstricken (Seite 273)

Bei der Zuweisung arbeitsloser Menschen zu sozialökonomischen Betrieben und
gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten ist in der Praxis dafür Sorge zu tragen,
dass im Fall der Ablehnung einer solchen "Beschäftigung" gegen die/den jeweilige(
n) Arbeitslose(n) nur dann Sanktionen (Sperre des Arbeitslosengeldes bzw. der
Notstandshilfe) verhängt werden, wenn im Einzelfall ein reguläres, allen Zumutbarkeitskriterien
entsprechendes Dienstverhältnis oder aber eine taugliche Wiedereingliederungsmaßnahme
vorliegt. Stellt sich das "Beschäftigungsverhältnis" demgegenüber
als Mischform aus Dienstverhältnis und Wiedereingliederungsmaßnahme
dar, so kann eine Teilnahme der arbeitslosen Person nur auf freiwilliger Basis erfolgen.
Sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte sollten zudem
so gestaltet sein, dass sie für Arbeitslose nicht zur Armutsfalle werden. Insbesondere
wären zumindest kollektivvertragliche Löhne zu zahlen.

21.05.2007

 
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