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In Oberösterreich gibt es um 53 Prozent mehr Arbeitslose als offiziell ausgewiesen

Pressegespräch Dienstag, 16. August 2005, 10 Uhr Presseclub Linz

Mag. Peter Huber Wirtschaftsforschungsinstitut (Studienautor)
Dr. Johann Kalliauer Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich
Dr. Josef Moser Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK

Beschäftigungsstatistik liefert ein Zerrbild der Realität –Arbeitslosigkeit in Oberösterreich um 53 Prozent höher!

Während die tatsächliche Beschäftigung durch offizielle Zahlen merklich überschätzt wird, ist die Situation bei der Arbeitslosigkeit umgekehrt. Die offizielle Statistik grenzt durch ihre Definitionen tausende in Wirklichkeit arbeitslose Menschen aus und verdeckt somit den Blick auf das wahre Ausmaß der Unterbeschäftigung und damit auf die Dringlichkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen.

Im Auftrag der oberösterreichischen Arbeiterkammer hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) die Unschärfen und Verzerrungen der amtlichen Beschäftigungsstatistik analysiert und vor zwei Wochen öffentlich präsentiert. Ergebnis: Die gesamtösterreichische Arbeitslosenquote betrug im Vorjahr nicht 7,1 sondern 9 Prozent.

Noch größer ist die Diskrepanz zwischen offiziell ausgewiesener und tatsächlicher Arbeitslosigkeit in Oberösterreich: Das Wifo kommt zum Ergebnis, dass im Jahr 2003 die tatsächliche Arbeitslosigkeit um zumindest 12.700 Personen unterschätzt wurde. Die korrigierte Arbeitslosenquote (nach Wifo-Definition: der Anteil des Arbeitskräfteüberschusses in Relation zu den aktiv Beschäftigten) erhöht sich dadurch von 4,5 Prozent auf 6,7 Prozent.

Basierend auf den Wifo-Berechnungen hat die Arbeiterkammer die Zahlen für das Jahr 2004 aktualisiert: Laut offizieller Statistik waren im Jahresdurchschnitt 26.141 Personen arbeitslos, berücksichtigt man die erwähnten Verzerrungen so sind es tatsächlich 40.169 Arbeitslose. Das sind 53 Prozent mehr als in der offiziellen Statistik!

Wie entsteht die verfälschte Beschäftigungsstatistik?

Wer sich ein Bild von der Arbeitsmarktsituation und der Beschäftigungsentwicklung machen will, muss hinter die Kulissen der Beschäftigungsstatistik schauen. Die Aussagekraft der üblichen, traditionellen Daten der Sozialversicherungsträger ist durch Änderungen der Rahmenbedingungen und durch veränderte Beschäftigungsformen erheblich gesunken. Dieses österreichweite Phänomen trifft in ganz besonderer Weise auf Oberösterreich zu.

Was heißt beispielsweise: die Beschäftigung steigt? Gibt es mehr Beschäftigungsverhältnisse oder hat sich auch die Zahl der beschäftigten Personen erhöht? Sind diese Personen „produktiv“ beschäftigt? Hat sich auch das Beschäftigungsvolumen erhöht oder sind nur Vollzeitjobs durch Teilzeitarbeitsplätze ersetzt worden? Deutet der Aufwärtstrend in der Beschäftigungsstatistik tatsächlich auf bessere Beschäftigungs- und Einkommenschancen der oberösterreichischen Arbeitnehmer/-innen hin oder nicht?

Aktive Beschäftigung überzeichnet

Im Jahresdurchschnitt 2004 sind in der offiziellen Beschäftigungsstatistik (Hauptverband der Sozialversicherungsträger) in Oberösterreich 562.252 Beschäftigte (genauer: Beschäftigungsverhältnisse) erfasst. Das sind immerhin um 5,7 Prozent oder 30.259 Beschäftigte mehr als im Jahresdurchschnitt 2000.
Im selben Zeitraum hat sich aber die Zahl der Kinderbetreuungsgeldbezieher/-innen von 11.502 auf 23.315 mehr als verdoppelt. Das heißt mehr als ein Drittel des offiziellen Beschäftigungszuwachses ist lediglich „statistischer“ Art, denn diese Kindergeldbezieher/-innen sind als Beschäftigte ausgewiesen, ohne aktiv beschäftigt zu sein. Dieser Trend hält weiter an: Zwischen Mai 2004 und Mai 2005 hat sich die Zahl der Beschäftigten um 10.651 erhöht – ein Drittel (3.535) davon entfällt auf den Anstieg der Kinderbetreuungsgeldbezieher/-innen.

Gleiches gilt für Präsenzdiener, die in der offiziellen Beschäftigungsstatistik mitgezählt werden, aber nicht aktiv beschäftigt sind. Allerdings ist dieser Effekt quantitativ wesentlich schwächer.

Auch die Erfassung von Arbeitslosen, die an einer AMS-Schulungsmaßnahme teilnehmen, wirkt sich auf die Beschäftigungsstatistik aus. Bis Ende 2003 wurden jene AMS-Schulungsteilnehmer, die eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes erhielten, als beschäftigt gezählt. Seit Anfang 2004 sind diese Personen nicht mehr voll sozialversicherungspflichtig und fallen damit auch aus der Beschäftigungsstatistik heraus. Im Jahr 2000 wurde dadurch die Zahl der aktiv Beschäftigten allein in OÖ um 1.688 Personen überschätzt (im Jahr 2003 sogar um 2.144).

Ein Effekt, der besonders in Oberösterreich wirksam ist, ist die Blockvariante bei der Altersteilzeit. Diese Personen werden über die gesamte Spanne der Altersteilzeit als beschäftigt erfasst, obwohl sie lediglich in der ersten Hälfte dieser Zeitspanne (Vollzeit) aktiv beschäftigt sind, und dann in den Freizeitblock wechseln. Allein in Oberösterreich befanden sich 2004 8.924 Personen in Altersteilzeit. Davon sind etwa 1.500 Personen nicht mehr aktiv beschäftigt.

Den gleichen Effekt haben diverse „Vorruhestandsregelungen“ in einigen Großbetrieben („Golden Handshake“), wo ältere Mitarbeiter einen Großteil ihres Gehalts weiterbeziehen, aber nicht mehr aktiv erwerbstätig sind.

Ein weiterer Grund für das Auseinanderklaffen von offizieller Beschäftigung und effektiver Beschäftigung sind Dauerkrankenstände: die Betroffenen sind als beschäftigt erfasst, erbringen im Krankenstand aber logischerweise keine Arbeitsleistung. Bei längeren Krankenständen wird die Einstellung einer Ersatzarbeitskraft notwendig, sodass in diesen Fällen sozusagen eine Doppelzählung vorliegt. In Oberösterreich hat sich die Zahl der Personen im Dauerkrankenstand zwischen 2000 und 2003 um 1.400 Personen verringert; das heißt um diese Zahl wird die tatsächliche Beschäftigungsentwicklung unterschätzt.

Resümee:

Im Zeitraum 2000 bis 2004 ist in Oberösterreich die aktive Beschäftigung deutlich hinter der offiziellen Beschäftigung zurückgeblieben. Das tatsächliche Beschäftigungsplus verringert sich um mehr als 1/3 auf knapp 20.000. Dieses Auseinanderdriften von offizieller und effektiver Beschäftigung hält weiter an. Vor allem die Entwicklung bei den Kinderbetreuungsgeldbezieher/-innen und bei der Altersteilzeit wird bis etwa 2007 noch an Bedeutung gewinnen.
Relevant sind diese Faktoren auch für die europäische Beschäftigungsstrategie und die Lissabonziele. Derzeit wirken sich die Kinderbetreuungsgeldbezieher/-innen und Personen in Altersteilzeit günstig (=erhöhend) auf die vereinbarten Kennzahlen (Beschäftigungsquoten bei Frauen und Älteren) aus. Bis zum Jahr 2010 werden diese Effekte allerdings wegfallen oder sich sogar umkehren (Wegfall der Altersteilzeitbeschäftigten). Die jüngsten Studien des IHS zur Situation der Frauen am Arbeitsmarkt bekräftigen diesen Befund.

Arbeitsvolumen stagniert

Hinzu kommt, dass die Zahl der Beschäftigten bzw. Beschäftigungsverhältnisse im Grunde noch nichts über die Entwicklung des Arbeitsvolumens aussagt, weil es einen anhaltenden Trend hin zur Teilzeitbeschäftigung gibt. In Oberösterreich gingen laut Mikrozensus zwischen 2000 und 2003 9.500 Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse verloren, andererseits hat sich die Zahl der Teilzeitjobs um 22.300 erhöht. Das heißt das Wachstum des Arbeitsvolumens bleibt weit hinter dem offiziellen Beschäftigungswachstum zurück. Das WIFO schätzt für Oberösterreich, dass das Arbeitsvolumen in Oberösterreich zwischen 2000 und 2003 bestenfalls stagnierte (oder sogar leicht sank).

Bei Männern ist das Arbeitsvolumen eindeutig gesunken: in den beobachteten Jahren gingen 5.500 Vollzeitjobs verloren, es kamen aber lediglich 1.600 Teilzeitarbeitsplätze hinzu. Bei den Frauen reduzierte sich die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze um 3.900 und die Zahl der teilzeitbeschäftigten Frauen hat sich um 20.700 erhöht, sodass in Summe das Arbeitsvolumen der Frauen gestiegen ist. Der Zuwachs bei den Frauenarbeitsplätzen entfällt zu einem erheblichen Teil auf geringfügige Beschäftigungen, mit all den bekannten negativen Begleiterscheinungen.

Atypische Beschäftigung wächst überproportional

In den letzten vier Jahren hat sich die Zahl der geringfügig Beschäftigten um knapp 11 Prozent auf 35.000 erhöht – Tendenz weiter steigend. Ähnliches gilt für (geringfügig) Freie Dienstverträge bzw. Werkverträge. Bereits 6,4 Prozent aller Beschäftigten erzielen kein ausreichendes Einkommen, um den Lebensunterhalt damit zu sichern. Die Folge ist, dass die Betroffenen – nach Möglichkeit – mehrere Beschäftigungen annehmen. Selbst in dem relativ kurzen Zeitraum 2000 bis 2003 weisen die Mehrfachbeschäftigungen deutlich höhere Zuwachsraten auf als die „Einfachbeschäftigten“.
In der Beschäftigungsstatistik wird also nicht nur das Arbeitsvolumen sondern auch die Zahl der beschäftigten Personen überschätzt wird. Durch die Mehrfachbeschäftigungen steigt die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse stärker als jene der beschäftigten Personen.

Reale Arbeitslosigkeit weit unterschätzt

Dass Schulungsteilnehmer (fälschlicherweise) nicht in der offiziellen Arbeitslosenzahl aufscheinen ist mittlerweile bekannt . Gleiches gilt aber auch für Lehrstellensu­chende, Arbeitslose im Krankenstand sowie Arbeitslose, deren Bezug vorüberge­hend gesperrt worden ist. Eine zahlenmäßig große Gruppe sind schließlich noch die Pensionsvorschussbezieher/-innen. Bis zu drei Viertel der Pensionsanträge werden abgelehnt, so dass die Antragsteller wieder Arbeit suchen (müssen.). Der Großteil ist also der Zahl der Arbeitssuchenden zuzurechnen.

Berücksichtigt man diese Verzerrungen, so waren im Jahresdurchschnitt 2004 in Oberösterreich nicht 26.141 Personen arbeitslos, sondern 40.169, das sind um 53 Prozent mehr!

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen:

1) Die in der Wifo-Studie dokumentierte Entwicklung für den Zeitraum von 2000 bis 2003 bzw. 2004 hält an.

2) Das Arbeitsvolumen in Oberösterreich stagniert, die reale, aktive Beschäftigung wächst um ein Drittel langsamer als die offizielle Beschäftigungsstatistik ausweist.

3) Zuwächse gibt es vor allem bei atypischer Beschäftigung und bei Mehrfachbeschäftigungen; Die meisten dieser prekären Jobs reichen zur Existenzsicherung nicht aus, mit der Folge dass immer mehr Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind.

4) Auch in Oberösterreich gibt es eine massive versteckte Arbeitslosigkeit. Durch die offizielle Statistik werden insbesondere die Beschäftigungsprobleme der jugendlichen Berufseinsteiger und die der älteren Arbeitnehmer unterschätzt. Durch die „statistischen Unterbrechungen“ (Schulung, Krankheit, Pensionsvorschuss) wird vor allem auch das tatsächliche Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit unterschätzt.

5) Statistisches Datenmaterial ist eine wesentliche Grundlage für politische Entscheidungen. Die derzeitige Datenlage bildet jedoch das wirtschaftliche Problem in unserem Land nicht realistisch ab. Durch diese mangelnde bzw. verzögerte Problemeinsicht vergeht wertvolle Zeit bis die Politik aktiv wird

Forderungen der Arbeiterkammer

Die AK OÖ fordert eine realistische Darstellung der Arbeitsmarktentwicklung (Arbeitslosigkeit und Beschäftigung) als Grundlage für eine seriöse Problemanalyse. Wer ein Problem nicht erkennt, kann es auch nicht lösen.

Sowohl Bund als auch Land müssen spürbare wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Konjunkturbelebung setzen Die AK OÖ steht den in den letzten Tagen vorgestellten Maßnahmen kritisch gegenüber. Die am sogenannten Konjunkturgipfel beschlossenen Investitionsförderungen werden das Grundproblem der gegenwärtigen Wirtschaftslage nicht lösen. Weder die Umwidmung von ERP-Mitteln noch die Ausweitung von Haftungsübernahmen kann die Investitionen in Oberösterreich nennenswert erhöhen. Bereits bei der bisherigen Dotierung der Fördertöpfe und Kreditrahmen wurden die Mittel nicht ausgeschöpft.

Kombilohnmodelle und andere Formen der Lohnsubventionierung beseitigen die Qualifikationsdefizite in keinster Weise. Es ist zu befürchten, dass reguläre Beschäftigung ersetzt wird und es zu hohen Mitnahmeeffekten kommt.
Weiters wurde die Vorverlegung der Lehrstellenförderung (Blum-Paket) angekündigt, mit der Betriebe zur Aufnahme zusätzlicher Lehrlinge angeregt werden sollen. Die Wirkungslosigkeit derartiger Betriebsförderungen hat sich in den letzten Jahren bereits gezeigt.

Die AK fordert deshalb

-mehr öffentliche Investitionen in die Infrastruktur. Eine Milliarde Euro könnte zusätzlich bis zu 16.000 Jobs schaffen.

-Spürbare steuerliche Entlastung der kleinen und mittleren Einkommensbezieher/-innen zur Stärkung der Massenkaufkraft.

-Mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik und Qualifizierung:

a.) Notwendig ist eine massive Aufstockung der Mittel für die Qualifizierung von Jugendlichen. Ausbildungsangebote, die sich in Berufsorientierung und Teilqualifikationen erschöpfen, produzieren die Arbeitslosen von morgen. Die AK fordert deshalb, die massive Aufstockung der Mittel für Lehrgänge, die zu einem Berufsabschluss führen.

b.) Da die Arbeitslosigkeit der 19- bis 24-Jährigen derzeit besonders stark ansteigt, muss für diese Gruppe die Möglichkeit eröffnet werden, einen Berufsabschluss nachzumachen. Dazu müssen Mittel im oö Beschäftigungs- und Qualifizierungspakt bereitgestellt werden.

c.) Das AMS braucht mehr Mittel und Personal. Die steigenden Arbeitslosenzahlen erfordern ein vermehrtes Betreuungspotenzial des AMS.

17.08.2005


Ihre Gesprächspartner:

Dr. Johann Kalliauer Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich

Dr. Josef Moser Leiter Abt. Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer OÖ

Arbeitlose wollen mehr Zeit für intensivere Beratung

Ergebnisse einer AK-Umfrage
Pressekonferenz: 13. Jänner 2006 OÖ. Presseclub, Linz

Mehr Ressourcen für Beratung
und hochwertige Qualifizierungsmaßnahmen

Eine AK-Umfrage unter Langzeitarbeitslosen in Oberösterreich mit mehr als 1000 ausgefüllten Fragebögen bestätigt eindeutig eine Forderung der Arbeiterkammer Oberösterreich: Das Arbeitsmarktservice (AMS) braucht mehr Personal zur Beratung und Vermittlung von Arbeitsuchenden. Neben der fehlenden Berücksichtigung individueller Lebenslagen wird auch die Qualität und vor allem die Wirksamkeit der angebotenen Schulungen kritisiert. Die Arbeiterkammer hat für ihre Umfrage deshalb Personen ausgesucht, die schon länger beschäftigungslos sind, weil diese ständig im Kontakt mit dem AMS stehen. Gerade diese Gruppe braucht besondere Betreuung. Die Aussagen der Befragten decken sich weitgehend mit Analysen der AK:

Der Personalmangel beim AMS schadet den Betroffenen: Nur 57 Prozent der Befragten fühlen sich über ihre Rechte und Pflichten ausreichend aufgeklärt. Nicht einmal die Hälfte fühlt sich bei der Jobsuche gut unterstützt.

Die Rolle des AMS bei der Arbeitssuche ist zu verbessern: Die Mehrheit der Befragten bekommt wenig konkrete Jobangebote – die meisten erwarten sich von Inseraten oder Tipps aus dem Bekanntenkreis mehr Erfolg.

Klare Defizite zeigen sich im Umgang mit Migranten/-innen: Befragte mit nicht-deutscher Muttersprache fühlen sich häufiger schlecht behandelt.

Die langjährige Forderung der AK nach individuellen Betreuungsplänen zeigt Wirkung: Personen, mit denen ein Betreuungsplan ausgearbeitet wurde, sind eindeutig zufriedener. Es mangelt aber noch an der Umsetzung.

Sinn und Nutzen von Schulungen werden vielfach in Frage gestellt. Die Arbeit Suchenden wünschen mehr Berücksichtigung der eigenen Karrierepläne und bessere Qualität bei Maßnahmen, sodass „die richtigen Personen in den richtigen Kursen sitzen..."

Hohe Beteiligung zeigt Brisanz der Thematik

Im Juni 2005 hat die AK Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher, die zu diesem Zeitpunkt seit mindestens zehn Monaten beschäftigungslos waren (kurze Unterbre- chungen blieben unberücksichtigt) und eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung erhielten, nach ihren Erfahrungen mit dem AMS befragt. Mit 6.550 ausgesandten Fragebögen wurden 5.639 Personen erreicht (2.393 Frauen, das sind 42,4 Prozent und 3.246 Männer, das sind 57,6 Prozent). Das entspricht mit einer geringen Abweichung (0,3 Prozentpunkte) dem Frauen-Männer-Verhältnis unter allen Arbeitslosen. Dass 911 Fragebögen unzustellbar waren, ist ein möglicher Hinweis auf die steigende Armutsgefährdung (Wohnungsverlust!) bei Langzeitarbeitslosen. Der Rücklauf – und damit das Interesse am Thema - war mit 1.019 Antworten (18,1 Prozent) sehr hoch. Frauen waren mit 46,3 Prozent der Rücksendungen etwas überrepräsentiert. Die Rücklaufquote bei Personen mit migrantischem Hintergrund war unterdurchschnittlich: 9,1 Prozent der Antworten kamen von Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft, während der Anteil bei der befragten Zielgruppe 15,6 Prozent beträgt. Bei der Auswertung hat sich allerdings herausgestellt, dass die Muttersprache als Kriterium für die Zufriedenheit wichtiger ist als die Staatsbürgerschaft. Und immerhin 15,4 Prozent haben eine andere Muttersprache als Deutsch angegeben.
Die Brisanz der Thematik zeigt sich auch an der hohen Beteiligung bei den offenen Fragen. Mehr als 60 Prozent (615 Personen) haben die Möglichkeit in Anspruch genommen, sich über den standardisierten Teil des Fragebogens hinaus zu ihren Erfahrung mit dem AMS zu äußern.

Betreuungsplan schafft Transparenz, fehlt aber oft

Im Jahr 2005 wurde eine langjährige Forderung der AK rechtsgültig: Seit dem Vorjahr müssen mit allen Arbeit Suchenden Betreuungspläne ausgearbeitet werden, die neben der Abklärung von persönlichen Rahmenbedingungen der Arbeit Suchenden (Betreuungspflichten, Mobilität) und Vermittlungsbeschränkungen (Berufs- und Einkommensschutz, gegebenenfalls gesundheitliche Einschränkungen) auch Vereinbarungen über Art und Ausmaß der Eigeninitiative bei der Jobsuche sowie mögliche oder notwendige Weiterbildung enthalten müssen. Die AK-Befragung hat gezeigt, dass diese Betreuungspläne die Zufriedenheit der Arbeitsuchenden deutlich erhöhen: Die Urteile der Befragten über das AMS korrelieren auffallend stark mit dem Vorhandensein eines Betreuungsplans, der sich sehr positiv auswirkt. Allerdings: Zum Zeitpunkt der Untersuchung hatten lediglich 35,8 Prozent der Befragten einen Betreuungsplan bzw. kannten ihn (etwas mehr Frauen als Männer)! Davon haben drei Viertel das Gefühl, dass der Betreuungsplan gemeinsam entwickelt wurde. Während auf Berufswünsche relativ stark eingegangen wird, finden die Betroffen ihre Arbeitszeitwünsche, vor allem aber ihre Kinderbetreuungspflichten deutlich weniger berücksichtigt.

Die AMS-Berater/-innen: Freundlich, aber im Stress

Die Forderung der AK nach mehr Personal für die Betreuung von Arbeit Suchenden wird durch die Angaben der Befragten klar unterstützt. Mehr als die Hälfte (53,7 Prozent) stimmen der Aussage, dass mehr Zeit für die Beratung wünschenswert sei, voll oder eher zu. 29 Prozent der Befragten geben an, dass sich die Berater/-innen eher oder gar nicht ausreichend Zeit für ihre Anliegen nehmen. Dieser Mangel an Beratungskapazitäten hat unweigerlich Konsequenzen. So fühlen sich nur 57,3 Prozent ausreichend über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt und immerhin knapp ein Drittel (31,9 Prozent) fühlt sich vom Berater/von der Beraterin unter Druck gesetzt. Dabei unterscheiden die Betroffenen sehr deutlich zwischen den Gegebenheiten im System AMS und der derzeitigen Arbeitsmarktlage einerseits sowie andererseits den AMS-Berater/-innen. So wurde in der offenen Frage auch Verständnis geäußert für den Druck, dem die AMS-Mitarbeiter/-innen ausgesetzt sind. Der Großteil der Befragten (71,9 Prozent) fühlt sich freundlich behandelt. Verbesserungspotenzial bei der Sozialkompetenz wurde dennoch aufgezeigt: 289 Personen (28,4 Prozent) fühlen sich eher oder gar nicht ernst genommen. Etliche Befragte bezeichnen es als Glücksspiel, von wem man betreut wird, oder haben das Gefühl „nur eine Nummer" zu sein. Oft führt der Personalmangel auch - trotz Termin - zu langen Wartezeiten. Ähnlich wie in anderen Umfragen urteilen auch in dieser Befragung Frauen etwas positiver als Männer. Auffallend ist das deutlich schlechtere Urteil der Arbeit Suchenden mit nicht-deutscher Muttersprache: Von ihnen fühlen sich nur 60,1 Prozent freundlich behandelt und gar nur 53,1 Prozent ernst genommen.

Die Maßnahmen: Nett, aber zwecklos

Etwa zwei Drittel der Befragten haben Schulungen über das AMS besucht bzw. Angaben dazu gemacht. Die Trainer/-innen werden in den Maßnahmen als freundlich und kompetent beurteilt. Ein erheblicher Teil konnte auch in den Kursen Neues lernen (63,1 Prozent). Aber geholfen (im Hinblick auf einen neuen Job) hat die Maßnahme den Wenigsten (30,3 Prozent). Diese Beurteilung fällt mit steigendem Alter der Befragten immer schlechter aus (siehe Grafik).

Fast die Hälfte der Teilnehmer/-innen (47,9 Prozent) an Schulungsaktivitäten fühlt sich schlecht vorinformiert. Auch hier klaffen die Ergebnisse je nach Vorhandensein eines Betreuungsplanes weit auseinander. Und mehr als ein Fünftel (21,6 Prozent) gibt an, dass die eigenen Weiterbildungsvorschläge abgelehnt wurden. Bei der offenen Frage äußerten sich 18,3 Prozent kritisch zu den Schulungsmaßnahmen. Die Angaben reichen von der heterogenen Teilnehmer/-innenstruktur bis hin zu mehrmaligen Wiederholungen des gleichen Kurses. Viele Befragte gewinnen so den Eindruck, dass die Maßnahmen eher statistischen Zwecken dienen als der adäquaten Qualifizierung bzw. Unterstützung der Arbeitslosen.

Angesichts all dieser Kritikpunkte ist es wenig verwunderlich, dass weniger als die Hälfte der Befragten (46,6 Prozent) der Aussage „Ich fühle mich vom AMS bei der Jobsuche gut unterstützt" „voll" oder „eher" zustimmen. Bei Menschen mit Matura oder höherem Bildungsabschluss ist die Zustimmung noch geringer.

Die Forderungen der Arbeiterkammer

Mehr Personal für mehr Zeit bei den Beratungen

Lückenlose Umsetzung und Qualitätsverbesserung der Betreuungspläne für alle Arbeitslosen mit Aufklärung über Rechte und Pflichten

Erweiterung der Sozialkompetenz der/mancher Berater/-innen

Lösungen bei Sprachproblemen im Umgang mit Migranten/-innen

Individuelle Qualifizierungsmaßnahmen bei vorheriger Klärung von Defiziten und Zukunftsperspektiven (inklusive rechtzeitiger und ausreichender Vorinformation über die Maßnahmen), Berücksichtigung individueller Weiterbildungswünsche

Berücksichtigung individueller Einschränkungen ohne Schuldzuweisungen

Motivation statt Sanktion Unterstützung statt Druck

Details zur Grundgesamtheit der Umfrage

Qualifikation:

4 Prozent keinen Schulabschluss, 29 Prozent Pflichtschule, 38,1 Prozent Facharbeiter/-innen, 14,8 Prozent mittlere Schule, 13,7 Prozent Matura, Studium, Akademie Pflichtschulabsolvent/-innen sind gegenüber allen Arbeitslosen unter-, besser Qualifizierte sind etwas überrepräsentiert (siehe Grafik).

Alter:

25,8 Prozent älter als 55 Jahre, 19,8 Prozent 50 bis 54 Jahre, 23,8 Prozent 40 bis 49 Jahre, 21,2 Prozent 25 bis 39 Jahre, 6,9 Prozent jünger als 25 Jahre. Das bedeutet eine erwartungsgemäß relativ alte Gruppenstruktur im Vergleich zu allen Arbeitslosen, die aber weitgehend der Alterstruktur der Arbeitslosen mit einer Vormerkdauer von mindestens 1 Jahr entspricht.

Leistungsbezug:

42,2 Prozent Notstandshilfe, 18,1 Prozent Arbeitslosengeld, 27,3 Prozent Pensionsvorschuss, 11,9 Prozent Sonstiges (z. B. Stiftungsarbeitslosengeld)

Arbeitslosigkeitsdauer

Die Hälfte (50,6 Prozent) gibt an, bereits seit mindestens 2003 keine dauerhafte Beschäftigung mehr gehabt zu haben (22,2 Prozent seit 2002). Die Angaben dazu sind aufgrund der Vermischung von Arbeitslosengeld/ Notstandshilfe-Zeiten, Schulungszeiten, geförderten Beschäftigungszeiten in sozialökonomischen Betrieben, Pensionsvorschusszeiten, Krankenstandszeiten zu unterschiedlich und vielfach zu ungenau, um eine genaue Maßzahl errechnen zu können.

16.1.2006

Antrag 3
der AUGE/UG
Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 144. Vollversammlung der AK-Wien
am 17. Mai 2006



Abschaffung §§ 10 + 11 AlVG

Die Vollversammlung der AK-Wien beschließt, sich dafür einzusetzen, dass die §§ 10 und 11 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) (Sperre des Leistungsbezuges) abgeschafft werden.

Die Arbeitslosenversicherung soll die materielle Existenzsicherung während der Zeit der Erwerbslosigkeit sicherstellen. Eine Sperre des Arbeitslosengeldes bzw. Notstandshilfe ist tendenziell existenzgefährdend.

Seit 1990 sind die vom AMS ausgesprochenen Sperren um das 5,6-fache explodiert. Wurden vor sechzehn Jahren 2.855 Fälle gezählt, bei denen keine Leistung ausbezahlt wurde, so waren es 2005 bereits 15.979. 15.979 Menschen, die über mehrere Wochen über kein Einkommen verfügen – und in den meisten Fällen wohl auch über keine Ersparnisse, um die laufenden Fixkosten zu tilgen.

Die Sperren nach § 10 AlVG erwecken mehr und mehr den Eindruck, im Dienste des Neoliberalismus missbraucht zu werden (z.B. als Mittel zum Lohndumping) und verkommen mehr und mehr zu Strafparagrafen. So werden etwa auch arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Eigeninitiativen, zum Beispiel die Teilnahme an selbst gewählten Schulungen bestraft, selbst wenn vom AMS keine Alternative angeboten werden kann. Die wahrheitsgemäße Angabe einer Lohnpfändung beispielsweise gilt als Vereitelung, während das Verschweigen derselben ein Entlassungsgrund wäre.

Die Volksanwaltschaft stellt immer wieder fest, dass die Verhängung von Leistungssperren rechtswidrig erfolgte und vermutet, dass den „intensiven Vermittlungsbemühungen des AMS“ offensichtlich „keine ausreichenden und entsprechenden Stellen“ gegenüber stehen.

Nach einer Erhebung der AK-Oberösterreich gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, dass ihnen die verordnete AMS-Maßnahme nicht geholfen hätte. Diese Beurteilung fällt mit steigendem Alter der Befragten immer schlechter aus. Die AK-Oberösterreich fordert daher: Motivation statt Sanktion – Unterstützung statt Druck!

Die menschenunwürdige Überprüfung der Arbeitswilligkeit und daraus resultierende Sanktionsmöglichkeiten beeinträchtigen auch die Entwicklung des Arbeitsmarktservice zum modernen Dienstleistungsbetrieb, führt ebendort im Umgang mit den KundInnen zu vorprogrammierten Konflikten und vernichtet somit hochwertige Beratungskapazitäten. Weiterbildung und Umschulung unter Androhung von Sanktionen ist kontraproduktiv. Vielmehr sollte ein Recht auf Weiterbildung und Umschulung gesetzlich festgeschrieben werden.

§11 AlVG regelt den vierwöchigen Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes bei Selbstkündigung bzw. Entlassung.
2006 ist von der EU zum Europäischen Jahr der Mobilität erklärt worden. Das AMS gibt dazu an: „Beruflich mobile ArbeitnehmerInnen kommen mit Veränderungen in der Regel besser zurecht als andere. Ein Arbeitsplatzwechsel kann dazu beitragen, neue Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben und damit wieder leichter einen neuen Arbeitsplatz zu finden.“
Genau dieses Ansinnen aber wird durch §11 AlVG konterkariert.
Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung. Die zu gleichen Teilen Beitragsleistenden werden zunehmend ungleich behandelt: die ArbeitgeberInnen lukrieren Rechte und finanzielle Förderungen, den arbeitslosen ArbeitnehmerInnen bleiben die Pflichten – und Sanktionen.

9.08.2006

Immer mehr Menschen arbeiten Teilzeit


Besonders betroffen sind Frauen. Fast drei Viertel des Zuwachses an
Beschäftigten fällt auf Teilzeitkräfte.

Die Teilzeitbeschäftigung in Österreich steigt weiter. Betroffen sind dabei
in erster Linie Frauen. Insgesamt ist nach jüngsten Daten des "Labour Force
Konzepts" der Statistik Austria im Vorjahr mit 908.900 Teilzeitbeschäftigten
ein neuer Rekordwert erreicht worden. 2004 lag die Zahl noch bei 736.000,
das entspricht einer Steigerung von 23,5 Prozent.

Im ersten Quartal 2008 erreichte die Zahl der Teilzeitbeschäftigten einen
neuen Höchstwert von 934.800. Die Teilzeitquote kletterte damit auf 23,3
Prozent.

Neue Beschäftigte arbeiten zumeist teilzeit
Insgesamt waren im vergangenen Jahr 159.200 Männer teilzeitbeschäftigt, aber
gleich 749.700 Frauen. Der Anteil von Männern an Vollzeitbeschäftigten
betrug damit 7,2 Prozent, jener von Frauen sogar 41,2 Prozent. 1980 lag die
Teilzeitquote von Frauen bei lediglich 15,5 Prozent, jene der Männer gar nur
bei 0,7 Prozent.

Die Gesamtzahl der Beschäftigten stieg von 2004 bis zum ersten Quartal 2008
um 272.000 Personen an. Die Teilzeitzahl erhöhte sich parallel um 198.800.
Das bedeutet, dass 73 Prozent des Zuwachses an Beschäftigten auf
Teilzeitkräfte gefallen sind.

Artikel vom 25.07.2008 12:49 | apa |
Kurier
29.07.2008

 
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